Auszug aus "Sehnsucht:Schwerelos"
Roman brach ab und blickte von den Seiten auf. Ich hatte unbewusst meine letzten Atemzüge vertieft und starrte ihn mit
offenem Mund an. Er hatte eine unglaublich erotische Stimme, wenn er vorlas. Rauchig und männlich. Ich war haltlos in diesem Text ertrunken und hatte mich in sämtliche Einzelteile zersetzt, wurde
fortgespült, fortgetragen von einem letzten Wunsch, der über mich fegte, wie brennende Flammen einer längst verglühten Sehnsucht.
Alles in mir schrie danach ihn zu küssen, ihn zu fühlen, ihn zu spüren.
„Wir haben wenig Zeit, hab ich recht?“, fragte er.
Zeit? Von welcher Zeit sprach er? Mir zerbrachen hier die Ordnungen unter den Fingern, während mein hämmernder Herzschlag gegen die Außenmauern
meines Lebens pochte. Ich hatte keinen Begriff mehr von Zeit. Ich spürte den Wein in meinem Blut. Meine Zunge fühlte sich schwer wie Blei an.
„Zeit?“, fragte ich irritiert. „Zeit wofür?“
Er schlug das Buch zu und legte es mit einem lauten Knall auf dem Glastisch ab. Dann rutschte er näher und nahm mir sachte das Glas ab. Er stellte es
auf den Tisch und legte meine Hände in die seinen. Ich schnappte nach Luft und öffnete den Mund, um gegen diese Berührung zu protestieren, aber meine Stimmbänder waren plötzlich miteinander
verschmolzen und ließen keinen Ton mehr frei. Er blickte mir so tief in die Augen, dass mir davon heiß und kalt zugleich wurde. Jetzt! Der Moment war gekommen, um ihm Einhalt zu gebieten. Er
hatte mir versprochen, dass nichts passieren würde, was ich nicht wollte. Hatte er gelogen? Nein, hatte er nicht. Was wollte ich? Die Frage löste sich schon auf, während ich sie mir
stellte.
Ich wollte ihn. Alles von ihm. Alles. Alles. Alles.
Roman wartete und beobachtete jede meiner Reaktionen. Das beruhigte mich. Ich würde ihn jederzeit aufhalten können. Erst als ich meinen letzten Widerstand aufgab und ein wohliges Seufzen über
meine Lippen glitt, wagte er sich weiter vor und ließ seine Finger zärtlich an meinen Armen hochwandern. Er strich das Haar über meine Schultern zurück. Seine Finger fanden sich in meinem Nacken
wieder und zogen dort beruhigende Kreise. Schauer jagten über jeden Millimeter meiner Haut. Meine Brustwarzen verhärteten sich. Es war Jahrzehnte her, dass mich ein Mann so bedächtig, so
verführerisch langsam gestreichelt hatte. Seine Hände zogen eine feste Spur über meinen Rücken. So langsam, dass ich es noch stoppen hätte können, wenn ich es gewollt hätte. Mein Herz trommelte
ohrenbetäubend laut. Schließlich schlang er einen Arm um meinen Oberkörper und zog mich vorsichtig an seine Brust. Seine Lippen näherten sich den meinen. In nervöser Erwartung seines Kusses
schloss ich die Augen. Obwohl wir uns schon einmal geküsst hatten, war es diesmal anders. Verstörend anders. Seine Zärtlichkeit raubte mir den Verstand. Zurückhaltend spielte er mit meiner
Unterlippe. Ich war die Erste, die mit ihrer Zunge die seine suchte. Er ließ mich das Tempo vorgeben. Das beruhigte mich und je ruhiger ich wurde, umso wilder tobte die Lust in meinem Unterleib.
Roman drückte mich mit seinem Körper in die Kissen hinunter, bis ich unter ihm lag, dann nahm er Abstand und forschte in meinem Gesicht nach Zeichen. Er wollte einen Schritt weitergehen und
wartete auf meine Erlaubnis. Meine Brust hob und senkte sich schneller. Ich griff nach seinem Handgelenk und legte seine Hand auf meinem rechten Oberschenkel ab. Das Lächeln, das er mir zuwarf,
war siegessicher. Er spreizte meine Beine und begann mit seinen Händen verzehrend langsam über meine Haut zu streicheln. Mit den Fingerspitzen suchte er unter dem Rock nach dem Ende der
Feinstrumpfhose und zog sie mir samt Slip bedächtig aus. Seine Augen tasteten über meine nackte Haut, die Finger folgten. Er war so gefühlvoll, berührte jeden Zentimeter meiner Beine, dass ich
die Grenzen meines Körpers spürte.
Ich spürte mich. Endlich wieder.
Das war ich. Sarah.